ZX Spectrum Next mit Z80, 2 MByte RAM und RasPi-Coprozessor - Raspberry Pi Geek (2024)

Im ZXSpectrum Next übernimmt der RasPi eine ungewohnte Rolle: Er sorgt als Coprozessor für ungetrübten Retro-Spiele-Spaß.

Computer einschalten, Basic-Programmzeile 10 PRINT "Hallo Welt":GOTO 10 eingeben, Programm mit RUN starten – so unmittelbar war Programmieren auf den Home-Computern der 1980er-Jahre möglich. Kein Booten, kein Zugriff auf Datenträger; die Maschine führte einfach den Basic-Interpreter im ROM aus.

So manches Bastelprojekt macht aus dem RasPi eine Plattform für alte 8-oder 16-Bit-Computerspiele, denn die Emulatoren für die beliebten Home-Computer laufen auch auf dem Mini-Rechner gut. Mit RetroPie[1] gibt es sogar ein Komplettpaket für die Umrüstung zur Spielkonsole[2]. Emulation ist aber nur die halbe Wahrheit: Auch in einfacheren Computern werkeln neben dem Prozessor noch andere Komponenten, parallel und mit eigenem Timing. Diese Gleichzeitigkeit lässt sich in Emulatoren nur schlecht abbilden. Darum ist der nachgeahmte Home-Computer mit dem Original nicht vollständig identisch.

Echte Kenner bemerken diese Fehler und schwören darum auf Original-Hardware. So erreicht manch ein Home-Computer in gutem Zustand (etwa vollständig restauriert mit ausgetauschten Kondensatoren) bei Ebay Fantasiepreise, die den historischen Neupreis übersteigen. Suchen Sie doch einmal im Netz nach Namen alter Rechner mit dem Zusatzbegriff “recapped”. Ein Preisbeispiel aus dem August 2020: Amiga1200 für 650Euro.

FPGA statt Emulation

Maschinen, die im Original nicht mehr verfügbar sind, lassen sich neben der Emulation noch auf eine zweite Weise nachahmen: mit einem FPGA-Chip. Bei einem solchen Field Programmable Gate Array handelt es sich um einen beim Anwender konfigurierbaren Chip, der die Funktionen von klassischen Prozessoren, I/O-Bausteinen und anderen Chips in Hardware exakt nachbildet. Stark vereinfacht entspricht das einer Emulation auf Hardware-Ebene, und hier gibt es keine Einschränkungen, was das parallele Verarbeiten auf mehreren Komponenten angeht. Ist der FPGA-Chip groß genug, können Entwickler diverse CPUs, Controller und andere Komponenten auf denselben Baustein packen und dort genau wie die Originale arbeiten lassen.

Ein Bauplan, der einen Computer (also CPU, Speicher, I/O- und weitere Chips sowie die Verdrahtung dieser Komponenten) für einen FPGA beschreibt, heißt Core. Es gibt eine Entwicklerszene, die solche Cores für verschiedene FPGA-Chips bereitstellt. FPGA-basierte Rechner laden beim Einschalten einen dieser Cores und konfigurieren sich dann entsprechend der “Bauanleitung” – zum Beispiel als CommodoreC64, ZXSpectrum48k, Schneider CPC6128, AtariST oder als einfacher IBM-PC mit CGA-Karte. Die Projekte MiST-[3] und MiSTer[4] haben kleine Komplettsysteme entwickelt, die Sie mit zahlreichen Cores bestücken können. Schließen Sie dann noch Tastatur, Maus und einen klassischen neunpoligen Joystick an, kann der Spielspaß beginnen.

Diese Lösung ist sehr flexibel, denn ein einziger Rechner kann je nach FPGA-Konfiguration zahlreiche Home-Computer nachahmen und die dafür verfügbaren Spiele laufen lassen. Der Nachteil: Der Anwender betreibt an diesen Rechnern eine Standardtastatur, deren Tastenlayout auf keinen der Home-Computer zugeschnitten ist. Je nach laufendem Core sind dann viele Tasten gar nicht belegt oder lösen unerwartete Funktionen aus. Das macht die Bedienung umständlicher, als es nötig wäre, und man wünscht sich das Original-Keyboard des Home-Computers zurück.

Für Freunde des Commodore C64 gibt es mit TheC64[5] einen originalgetreuen Nachbau (Abbildung1), der im Gegensatz zum Vorgänger TheC64 Mini[6] eine voll funktionsfähige Tastatur besitzt. Er lässt sich damit wie ein klassischer C64 nutzen, nur komfortabler, weil zahlreiche Spiele vorinstalliert sind und es Zusatz-Features wie Pause und Spielstandsicherungen gibt. Über USB lassen sich auch eigene Spiele-Images im D64-Format nutzen. Allerdings arbeitet der TheC64 nicht FPGA-basiert, sondern lässt den Emulator VICE[7] unter Linux auf einem Quad-Core-ARM-Prozessor (Cortex-A7) laufen – eine ähnliche Lösung wie bei RetroPie, nur eben spezialisiert auf den C64.

Abbildung 1: Der TheC64 ist ein aktueller Commodore-C64-Klon, nutzt aber nur eine Software-Emulation.

Komplettrechner

Zwei aktuelle Projekte verfolgen das Ziel, moderne Nachfolger populärer Home-Computer zu bauen – mit perfekter Kompatibilität zu den Klassikern, aber gleichzeitig verbesserter Leistung, sodass mit diesen Maschinen mehr als nur Retro-Spielen möglich ist. Dazu gehören auch eine brauchbare Tastatur und die Möglichkeit, alte Zusatz-Hardware weiter zu nutzen, die am Expansion Port der alten Rechner angeschlossen wurde.

Noch in Entwicklung ist der Mega65[8], der voraussichtlich 2021 im Gehäuse des CommodoreC65 auf den Markt kommen soll. Er ahmt den C65 (den Nachfolger des C64) nach, den Commodore zwar noch in kleiner Stückzahl als Muster ans Fachpublikum verteilte, aber nicht mehr in die Serienfertigung brachte. Neben einer brauchbaren Tastatur (dank der der Rechner eher an einen C128 oder einen Amiga als an einen C64 erinnert) ist vor allem das eingebaute 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk interessant, das für authentisches Retro-Feeling inklusive Wartezeiten beim Programmstart von Diskette sorgt. Schneller gelingt das Laden der Software von einer SD-Karte.

Der Mega65 strebt hohe Kompatibilität zum C65 und zum C64 an. Ein Prototyp (in einem provisorischen Gehäuse aus Plexiglas) soll in kleiner Auflage (100Stück) im vierten Quartal 2020 an Entwickler und andere Interessierte gehen. Das Hardware-Design und die für den Mega65 entwickelte Software stehen der Allgemeinheit unter Open-Source-Lizenzen zur Verfügung.

Fans des C64-typischen Sounds werden sich darüber freuen, dass sich auf dem Board auch ein Original-SID-Chip verbauen lässt (so man denn einen auftreiben kann). Ansonsten gibt es im Vergleich zum C65 einige Extras wie die FPGA-basierte Variante des im C64 verbauten Prozessors mit bis zu fünfzigfacher Geschwindigkeit, eine Netzwerkschnittstelle und mehrere aktuelle Betriebssysteme, darunter eine Portierung von GEOS64[9].

ZXSpectrum

Das zweite Projekt ist schon mehrere Schritte weiter: Dank eines 2017 erfolgreich gelaufenen Kickstarters wurden Anfang 2020 die ersten 3000Exemplare des Sinclair ZXSpectrum Next[10] ausgeliefert, im August/September2020 lief ein zweiter erfolgreicher Kickstarter[11]. Der Spectrum Next setzt eine vor allem in England sehr populäre Modellreihe von 8-Bit-Home-Computern fort.

Die von Sir Clive Sinclair gegründete Firma Sinclair Research war einer der großen Home-Computer-Hersteller der 1980er- und 1990er-Jahre. Die ersten Geräte (ZX80 und ZX81) legten den Grundstein für den ZXSpectrum mit seiner markanten Folientastatur. Die Besitzer der Spectrum-Rechner übten sich ab 1982 im Programmieren in Basic und Z80-Assembler oder schlossen einen Datasette genannten Kassettenrekorder an, von dem sie Spiele wie “Elite” oder “Manic Miner” in den Hauptspeicher laden konnten.

Schon in den 1980ern war aber ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Z80-basierten Computer, dass diese nicht nur zum Spielen taugten, sondern auch für ernsthaftere Aufgaben. Die Modelle mit Diskettenlaufwerk waren in der Lage, das Betriebssystem CP/M[12] zu booten, einen Vorgänger von MS-DOS – was man unter anderem an der Shell, an der 8.3-Dateinamenskonvention und an den Laufwerksbuchstaben erkennt. Für CP/M waren zum Beispiel die auch auf PCs erfolgreiche Textverarbeitung WordStar und die Pascal-Entwicklungsumgebung Turbo Pascal verfügbar.

Der Spectrum-Nachfolger ZXSpectrum Plus hatte eine bessere Tastatur, und auf dieses Modell folgte (unter Sinclair-Regie) noch der ZXSpectrum128 mit 128KByte RAM. Er erhielt den Spitznamen “Toast Rack”, weil er dank Kühlerrippen am rechten Rand an einen Toaster erinnerte. Auf dem Design des Spectrum128 basiert der aktuelle Spectrum Next: Das Gehäuse entwarf der 2018 verstorbene Designer Rick Dickinson, der in den 1980ern für Sinclair arbeitete und dort auch Gehäuse für den ZX81 und verschiedene Spectrum-Modelle entwickelte.

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